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Wearables in der medizinischen Anwendung

Die sogenannten Wearables sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Im folgenden soll auf die medizinisch genutzten Geräte eingegangen werden.

Wearables können helfen, gesundheitliche Risiken zu minimieren

Im folgenden erläutere ich Ihnen die Chancen, aber auch die Fallstricke bei der Nutzung dieser kleinen Geräte.


Was sind Wearables?

Unter Wearable-Technologie im engeren Sinne versteht man die Messung von Körperfunktionen durch die Sensoren von Mini-Computern, die kontinuierlich am Körper getragen werden (engl.: to wear). Zu den bekanntesten Arten dieser tragbaren Technologie gehören Fitneßarmbänder und Smartwatches. Es gibt aber auch Kleidungsstücke mit eingebauten Sensoren wie zum Beispiel Unterhemden, Socken oder Schuhe sowie Accessoires wie Gürtel, Brillen, Ringe oder Schlüsselanhänger.

Noch vor den am Körper getragenen Wearables im engeren Sinn kamen die sogenannten Handhelds auf den Markt, die man in der Hand- oder Hosentasche bei sich trug, weswegen sie als Wearables im erweiterten Sinn bezeichnet werden können, wie z.B. Handgelenk-Blutdruckmesser, Fingerpulsoxymeter oder 1-Kanal-EKG-Geräte wie das Kardia von Alive Cor® und andere.

Den meisten gemeinsam ist, dass sie ihre Rohdaten per Bluetooth oder Mikrofon an eine auf dem Smartphone des Nutzers installierte App senden, von wo aus die Daten weiter verarbeitet, vom Nutzer betrachtet und gegebenenfalls versandt werden können.


Worin unterscheiden sich die Wearables?

Neben dem Preis, der Position am Körper, von der aus sie Daten sammeln, der Übertragungsmethode zur App, ob sie mit einem eigenen Minimonitor ausgestattet sind oder nicht, einen Akku oder Batterien haben und ob sie kontinuierlich oder diskontinuierlich messen unterscheiden sie sich dadurch, welche weitere Funktionen sie haben, wie z. B. bei Smartwatches die Option zum Telefonieren oder das Anzeigen der Uhrzeit und welche Parameter sie zu messen imstande sind.

Im Alltag sind folgende Mess-Parameter üblich: Schritte, Entfernung, Etagen, Herzfrequenz, Kalorienverbrauch, sportliche Aktivitäten und die Schlafphasen. In der Sportmedizin und vor allem in der Kardiologie kommen folgende Parameter hinzu: 1-Kanal-EKG, 6-Kanal-EKG, Herzfrequenzvariabilität (siehe HRV-Messung), die QTc-Zeit, der Sauerstoffgehalt des Blutes sowie der Blutdruck.


Worin liegen der Nutzen und die Fallstricke der Erhebung all dieser Parameter für den Nutzer und ggfls. den betreuenden Arzt?

Neben Fragen der Datensicherheit und der unterschiedlichen Datenqualität, die zu irreführenden oder falschen Ergebnissen führen kann, müssen Entängstigung durch die Messung oder das Gegenteil einer Verängstigung in Betracht gezogen werden. Im einzelnen lassen sich die Vor- und Nachteile der heute möglichen Messungen wie folgt zusammenfassen:


Schritte, Entfernung, Etagen, Kalorienverbrauch

Die Messung der Alltagsaktivität ermöglicht den Nutzern einen guten Überblick über ihr tägliches Aktivitätspensum. Daraus abgeleitete Statistiken über die Verteilung am Tag und in der Woche und den zeitlichen Verlauf über die zurückliegenden Wochen oder Monate ermöglicht den Vergleich zu den selbst gesetzten Zielen und kann motivieren. Erinnerungsmitteilungen, dass zum Tagesziel von beispielsweise 10000 Schritten noch 500 Schritte fehlen, wenn man spät abends nach Hause kommt und sich auf das Sofa freut, können hingegen demotivierend wirken. Gleiches gilt für Hinweise auf das noch nicht erreichte Tagesziel zum Kalorienverbrauch.


Herzfrequenz

Die Messung der Herzfrequenz über die Pulswelle mittels der sogenannten PPG-Technologie ist einfach und kontinuierlich möglich, versagt aber bei Extraschlägen des Herzens, weil diese Extrapulswellen nicht bis zum Messort am Handgelenk oder dem Finger gelangen und folglich nicht mitgezählt werden, obwohl das Herz den Extraschlag ausgeführt hat, was medizinisch als peripheres Pulsdefizit bezeichnet wird. So können Pulswerte von 40 oder weniger angezeigt werden, obwohl das Herz 60 oder mehr / Minute schlägt, was den Nutzer verständlicherweise ängstigen kann. Aber auch der umgekehrte Fall, dass der Puls plötzlich auf 150 oder höher ansteigt, kann eintreten. Dies kann nicht nur tatsächlich der Fall sein wie bei dem sogenannten Vorhofflimmern, oder anderen Formen des Herzrasens, sondern fälschlicherweise bei Messfehlern, zum Beispiel durch Erschütterungen oder Zittern, was nicht selten vorkommt.

Daher werden die Hausärzte vermehrt mit derartigen Meßergebnissen konfrontiert und überweisen dann den Sportler oder Patienten zum Internisten oder Kardiologen, um eine weiterführende Diagnostik einschl. eines Langzeit-EKGs zu veranlassen.


Sportliche Aktivitäten

Durch Beschleunigungssensoren in den drei räumlichen Achsen können die Algorithmen der Wearables verschiedene Sportarten unterscheiden. So erzeugen Schritte beispielsweise ein anderes Datenmuster als das lockere Schwingen der Arme beziehungsweise Erschütterungen des Handgelenks beim Tippen eines Textes oder Tennisspielen ein anderes Muster als Fahrradfahren.

Auch dies ermöglich den Nutzern ein Biofeedback über ihre Aktivität und über Unterschiede in der dabei aufgetretenen Herzfrequenz, ergo einen Vergleich über die unterschiedliche Trainingsintensität verschiedener Sportarten.


Schlafphasen

Über die Kombination von Bewegungsmustern und Herzfrequenz läßt sich unter Einbeziehung der Uhrzeit auch das Schlafverhalten analysieren und der Schlaf in die verschiedenen Schlafphasen unterteilen.

Dies führt zu einer passablen Übersicht über die individuelle Schlafdauer, die zu-Bett-geh-Zeiten, nächtliches Aufstehen und die morgendlichen Aufwachzeiten, aufgegliedert nach werktags und Wochenenden, was zur Reflexion über die eigene Schlafhygiene beiträgt.

Hingegen ist die weiterführende Aufteilung des Schlafes in Tiefschlaf mit den sogenannten REM-Phasen (engl.: rapid eye movements) und flachere Schlafphasen ungenau und führt allenfalls zu einer Verunsicherung und nachfolgend der Empfehlung, auffällige Befunde in einem Schlaflabor weiter abklären zu lassen.

Lästig kann auch die Mitteilung wirken "Wir haben ein 27min-Nickerchen festgestellt", ob das nun stimmt oder fehlerhaft das konzentrierte, unbewegte Zuhören eines Vortrages betrifft. Jedenfalls fördert Letzteres nicht das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Schlafalgorithmus.


1-Kanal-EKG

Die Möglichkeit, dass ein Patient sich selbst bei einer Symptomatik wie Herzstolpern oder Herzrasen ein EKG ableitet, hat der Rhythmologie einen großen Erkenntnisschub verschafft, da viele Formen von Herzrhythmusstörungen nur gelegentlich und zudem nur kurzzeitig auftreten, sodass häufig viele viele Langzeit-EKGs geschrieben werden müssen, ehe die Rhythmusstörung zufälligerweise gerade dann auftritt, wenn der Patient mit dem klassischen EKG-Gerät verkabelt ist.

Die wichtigste Indikation für die vom Patienten abgeleiteten, sogenannten Anfalls-EKGs ist dabei die Suche nach Vorhofflimmern, da diese Rhythmusstörung sehr häufig ist, auch bei Herzgesunden auftritt, mit dem Alter zunimmt und das Risiko eines Schlaganfalls in sich birgt, der bei 25 % aller Menschen, die gelegentliches Vorhofflimmern bekommen, das erste Symptom ist!

Neben Smartwatches wie z. B. von Apple®, Withings®, Samsung® und anderen bieten Handhelds wie das Kardia von Alive Cor® diese EKG-Funktion. Dabei leitet der Patient über zwei am Wearable befindliche Kontakte über das linke Handgelenk oder einen Finger der linken Hand und einen oder zwei Finger der rechten Hand das EKG ab, das (meist) über Bluetooth an die App des Mobiltelefons übertragen wird, wo es mit einem Diagnose-Algorithmus untersucht wird. Dieser befundet das EKG mit Sinusrhythmus (= normal), Vorhofflimmern oder uneindeutig. Danach kann der Patient dieses EKG als pdf an seinen Hausarzt versenden, der dann eine gezielte Therapieempfehlung aussprechen kann. Dies wäre der Idealfall.

Leider können bei Nutzung der EKG-Funktion aber verschiedene Probleme auftreten:

  1. kann sich der Algorithmus irren. Das bedeutet, dass sich der Nutzer nicht 100%-ig auf dessen Befundung verlassen kann, sondern im Prinzip jedes EKG an seinen betreuenden Arzt senden müsste, der die Algorithmus-Diagnose durch visuelle Nachbefundung der ausgedruckten pdf überprüfen müsste. Neben der Verunsicherung des Patienten beinhaltet diese Fehlinterpretationsmöglichkeit aber ein qualitatives und quantitatives Problem, denn
  2. setzt das Lesen dieser EKGs eine besondere Übung voraus, da sich diese Ausdrucke nicht ohne weiteres mit den üblicherweise in der Praxis abgeleiteten EKGs vergleichen lassen, weswegen
  3. nicht jeder Arzt seinem Patienten in dieser Fragestellung ein Ansprechpartner sein kann oder möchte, und
  4. da diejenigen Ärzte, die eine solche Beratung anbieten, Tag und Nacht von EKGs geflutet werden, was quantitativ nicht beherrscht werden kann und sich die Patienten mit ihrem Problem somit allein gelassen fühlen.

Aus diesem Grund habe ich mich mit anderen Ärzten zusammengeschlossen, um jedem Interessierten einen solchen Service gegen Honorar anzubieten. Der diesbezügliche link soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 zur Verfügung gestellt werden.


6-Kanal-EKG

Während mit einem 1-Kanal-EKG eine Herzrhythmusstörung gut zu diagnostizieren ist, müssen für die Feststellung eines akuten Infarkts mehrere Ableitungen aufgezeichnet werden. Mit Smartwatches ist dies sehr umständlich möglich, indem man sie vom Handgelenk abnimmt und beispielsweise nacheinander am Knöchel anbringt oder Position für Position auf den Brustkorb legt.

Eleganter gelingt die Aufzeichnung von 6 Kanälen mit dem Kardia 6K von Alive Cor®, welches neben den zwei Elektroden auf der Vorderseite einen dritten Kontakt auf der Rückseite trägt, der bei der Aufzeichnung auf das entblößte linke Knie gelegt wird.

Dadurch ist es nicht nur möglich, Rhythmusstörungen aufzuzeichnen, sondern ein akutes Infarktgeschehen zu erkennen, um den Notarzt zu rufen, damit dieser ein vollständiges 12-Kanal-EKG ableitet, was der Goldstandard in der Infarktdiagnostik ist und bleibt.

Dennoch kann diese erweiterte EKG-Funktion die Versorgung eines Infarktpatienten beschleunigen und somit verbessern.


HRV

Die sogenannte Herzfrequenzvariabilität (engl.: heart rate variability) ist ein seit über 40 Jahren in der Kardiologie erhobener Parameter zur Beurteilung des vegetativen Gleichgewichts (siehe HRV-Messung). Neben der Objektivierung des den Patienten belastenden Stresses gibt er auch Hinweise auf das Mortalitätsrisiko des Betreffenden.

Bis vor wenigen Jahren war diese HRV nur aus EKGs ableitbar. Durch das Aufkommen der Wearables ist es heute möglich, die HRV auch aus den mit der PPG-Technik registrierten, kontinuierlichen Pulskurven zu errechnen, was diesen ursprünglich kardiologischen Parameter zu einem Lifestyle-Parameter hat werden lassen, der bei den Nutzern, insbesondere den Sporttreibenden, Beachtung findet.

Das Problem dabei besteht darin, dass die HRV sehr störanfällig ist und bereits bei harmlosen Extraschlägen Fantasiewerte liefert, weswegen sie nur mit professioneller Begleitung zur Anwendung kommen sollte. Dies setzt neben der Erfahrung im Umgang mit der HRV bei Gesunden, Sporttreibenden und Patienten aber auch eine vorgeschaltete EKG-Schreibung voraus, um sicher zu sein, dass keine Märchenwerte erhoben werden.


QTc-Zeit

Auch dieser Parameter stammt aus der Kardiologie und kann nicht mit der PPG-Pulskurve, sondern ausschließlich mit einem EKG ermittelt werden. Er hat in der Kardiologie ebenfalls eine Bedeutung in der Voraussage bedrohlicher Herzrhythmusstörungen und gehört daher in die Hand des erfahrenen Arztes.

Das Besondere daran ist, dass sich die QTc-Zeit nach Einnahme von -zig Medikamenten ändert, weswegen verordnende Ärzte bei risikobehafteten Medikamenten nach einigen Tagen ein Ruhe-EKG ableiten um auszuschließen, dass sich die QTc-Zeit pathologisch über 500 ms verlängert hat. Zu diesen Medikamenten zählen gemäß der Gelben Liste:

  • Antiarrhythmika Klasse Ia (z.B. Chinidin, Procainamid)
  • Antiarrhythmika Klasse Ic (z.B. Flecainid)
  • Antiarrhythmika Klasse III (z.B. Amiodaron, Sotalol)
  • Antidepressiva (z.B. Citalopram, Escitalopram)
  • Antidepressiva (MAO-Hemmer, wie z.B. Tranylcypromin, Phenelzin)
  • Antidepressiva (SSRI wie z.B. Fluoxetin, Paroxetin)
  • Antidepressiva (SNRI, wie z.B. Venlafaxin, Duloxeti)
  • Antidepressiva trizyklisch (z.B. Amitryptilin, Imipramin)
  • Antieplileptika (z.B. Carbamazepin, Phenytoin)
  • Antiemetika (z.B. Ondansetron, Granisetron)
  • Antihistaminika (z.B. Terfenadin, Mizolastin)
  • Antihypertesiva (z.B. Verapamil, Diltiazem)
  • Antimalariamittel (z.B. Chloroquin, Hydroxychloroquin)
  • Antiinfektiva (z.B. Voriconazol, Telithromycin)
  • Antipsychotika (Phenothiazine wie z.B. Chlorpromazin, Thioridazin)
  • Atypische Antipsychotika (z.B. Risperidon, Olanzapin)
  • Domperidon
  • Fluorchinolone (z.B. Ciprofloaxacin, Levofloxacin)
  • Lithium
  • Makrolid-Antibiotika (z.B. Erythromycin, Azithromycin)
  • Methadon
  • Triptane (z.B. Sumatriptan)

Mit der Möglichkeit, die QTc-Zeit selbst zu messen und dem behandelden Arzt mitzuteilen, kann sich der Patient den Gang in die Praxis sparen und im Verlauf der Einnahme jederzeit selbst Kontrollmessungen vornehmen, was den Umgang mit diesen Medikamenten erleichert und sicherer macht.


Sauerstoffgehalt des Blutes (O2-Sättigung)

Während einer Darmspiegelung, beim Arzt oder im Rahmen der Corona-Epidemie wurde bei den Meisten schon einmal der Sauerstoffgehalt des Blutes mit einem Fingerpulsoxymeter gemessen. Auf dem Display erscheint dann die PPG-Kurve und aus der Absorption von Licht, das LEDs in die Haut strahlen und das von den sauerstoffbeladenen roten Blutköperchen unter der Haut reflektiert wird, errechnet ein Sensor den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes, der normalerweise 95 bis 99 % beträgt.

Diese Messungen können inzwischen auch von den meisten Smartwatches durchgeführt werden, wodurch der Nutzer einen Eindruck von der Sauerstoffsättigung in Ruhe oder nach Belastung seines Blutes bekommt oder im Falle einer COVID-Infektion bei einem signifikanten Abfall den Notarzt rufen kann.

So sinnvoll und so einfach diese Messung ist, hat aber auch dieser Parameter einen Fallstrick: denn wenn die Haut nicht gut durchblutet ist, weil der Patient kalte Hände hat, mißt der Sensor einen falsch niedrigen Wert. Daher sollten auch diese Messergebnisse kritisch gewürdigt werden.


Blutdruckmessung

Ein Kreislaufparameter, dessen Messung mit Smartwatches verboten werden sollte, ist die Messung des Blutdrucks mit der sogenannten Puls-Transit-Zeit. Abgesehen davon, dass eine monatliche Kalibrierung mit einem klassischen Blutdruckmessgerät nötig ist, liefern diese Messungen nur Schätzungen und versagen bei sehr hohen oder sehr niedrigen Werten völlig.

Zudem gibt es mit den Blutdruckmessgeräten am Handgelenk, die wie die Oberarmmessgeräte beim Arzt den Blutdruck mit der klassischen oszillometrischen Methode bestimmen, eine gute und preisgünstige Alternative.

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Prof. Dr. med. Thomas Wendt

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